Wunstorf – Es ist ein früher Freitagabend im Herbst. Die Sonne geht langsam über der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) unter; der Rettungshubschrauber Christoph 4 steht auf dem Landeplatz des Krankenhauses und hebt sich leuchtend orange von dem blauen Himmel ab. Gerade ist er von seinem 5. Einsatz an diesem Tag zurückgekehrt.
Notfallsanitäter Philipp Petzold bereitet den Hubschrauber für sein „Nachtlager“ vor, mit Sonnenuntergang geht dieser außer Dienst – bis zum nächsten Morgen. Routiniert checkt er das Material, das gerade noch im Einsatz benötigt und verbraucht wurde, füllt auf, wo notwendig, und richtet den sogenannten Patientensack, in dem die Menschen während des Fluges transportiert werden, in der schmalen Kabine wieder zurecht.
Seit 50 Jahren gehört der Christoph 4 zum Stadtbild von Hannover und weit darüber hinaus. Gerade feierte die Belegschaft des Hubschraubers dieses Jubiläum – Notfallsanitäter Philipp Petzold ist einer von ihnen und das neueste Mitglied im Team. Seit Anfang 2022 fliegt er als Notfallsanitäter und sogenannter „HEMS TC“ als Teil der Crew mit. Wenn er keine Schichten in der Luftrettung übernimmt, ist er als Praxisanleiter und Teamleiter Rettungsdienst in der Johanniter-Rettungswache in Garbsen tätig, die zum Ortsverband Wunstorf-Steinhuder Meer gehört.
Die Zusammenarbeit mit der Hubschrauberbesatzung kannte der 31-Jährige zuvor nur aus der eigenen Erfahrung im bodengebundenen Rettungsdienst. Jetzt hat sich die Perspektive geändert – im wahrsten Sinne des Wortes. „Die Arbeit als Notfallsanitäter beim Rettungshubschrauber unterscheidet sich nicht groß vom Dienst am Boden. Kurzgefasst: Ich versorge Patienten und unterstütze den Notarzt“, sagt Philipp Petzold. „Dazu kommen aber die Aufgaben als HEMS TC. Die sind neu für mich.“ HEMS TC: Dieser etwas sperrige Ausdruck steht für „Helicopter Emergency Medical Services Technical Crew Member“ und bedeutet grob übersetzt medizinisch-technisches Besatzungsmitglied eines Rettungshubschraubers. „In der Praxis bedeutet das, dass ich als Cockpitassistent unter anderem die Kommunikation mit den Leitstellen über Funk und die Navigation übernehme und während des Fluges den Luftraum um uns herum beobachte, um frühzeitig Gefahren erkennen und darauf reagieren zu können.“
Nach dem Materialcheck geht es für den Johanniter erstmal an den Schreibtisch. Einsatzprotokollierung, die Dokumentation für die Abrechnung, die Erfassung der Flugstunden – das sind nur einige Punkte, die Philipp Petzold abarbeiten muss. Doch auch das gehört zum Job – einen Job, den er unheimlich gern macht. „Ich mag die Abwechslung und die Vielfalt der Einsätze, die uns hier begegnen“, sagt er und ergänzt: „Wir versorgen hier zum Beispiel mehr Verbrennungen, Kindernotfälle oder Verkehrsunfälle. Dadurch haben wir es hier häufiger mit sogenannten Traumata zu tun, also Verletzungen, die aufgrund von einer Einwirkung von außen entstehen.“ Im bodengebundenen Rettungsdienst seien dagegen häufiger Erkrankungen internistischer Art wie Schlaganfälle oder Herzinfarkte an der Tagesordnung.
Was die Arbeit im Rettungshubschrauber besonders macht? „Es ist herausfordernd. Es erfordert eine schnelle Auffassungsgabe und ein komplexes, vorausschauendes Denken, wir müssen jederzeit flexibel in der Situation sein“, erklärt Philipp Petzold. Wie sieht der Einsatzort aus? Wie gestalten sich die Abläufe in den unterschiedlichen Landkreisen? Welches Krankenhaus eignet sich für die Patientenversorgung und lässt sich dafür mit dem Rettungshubschrauber anfliegen? „Man bewegt sich außerhalb seiner Komfortzone. Aber das erweitert die eigene Perspektive“, so der Notfallsanitäter.
Die Sonne ist mittlerweile längst untergegangen, der Papierkram erledigt, der Christoph 4 in seinem Hangar. Philipp Petzold fährt den Rechner herunter und macht das Licht im Büro aus. Er überlegt kurz: „Ich bin dankbar, dass ich diese Chance bekommen habe und diese Erfahrungen und neuen Eindrücke sammeln darf.“
Hier ist jetzt Dienstschluss für die Schichtbesatzung – bis zum nächsten Sonnenaufgang.
WCN/Johanniter/aw