In Hannover verdienen Frauen 11 Prozent weniger als Männer

Foto: Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG)

Wunstorf – Frauen beim Lohn weiterhin im Nachteil: Zum Internationalen Frauentag an diesem Dienstag [f. d. Red.: 8. März] weist die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) auf große Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern in Stadt und Region Hannover hin. Frauen, die eine Vollzeitstelle haben, verdienen in der Region aktuell elf Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Während der mittlere Vollzeit-Verdienst von Männern bei 3.754 Euro pro Monat liegt, kommen Frauen lediglich auf 3.350 Euro, so die NGG-Region Hannover unter Berufung auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. „Es kann nicht sein, dass Frauen in puncto Bezahlung trotz gleicher Arbeitszeit immer noch den Kürzeren ziehen“, kritisiert Gewerkschafterin Lena Melcher.

Die Corona-Pandemie habe die Situation teils verschärft – und alte Rollenbilder verfestigt. „In Zeiten von Lockdowns und Schulschließungen waren es in vielen Familien gerade die Frauen, die beruflich zurückgesteckt und sich um Kinder und Haushalt gekümmert haben“, sagt Melcher. In Branchen wie dem Gastgewerbe habe die Krise Frauen zudem besonders stark getroffen – etwa weil sie überdurchschnittlich oft in Minijobs arbeiteten. Vielfach hätten sie direkt zu Beginn der Pandemie ihre Jobs verloren und dann weder Anspruch auf Arbeitslosen- noch auf Kurzarbeitergeld gehabt.

Neben prekären Arbeitsverhältnissen gebe es aber in vielen Betrieben nach wie vor einen großen ,Gender Pay Gap‘, also eine erhebliche Lohnlücke zwischen den Geschlechtern. „So verdienen etwa Bäckereifachverkäuferinnen in Niedersachsen deutlich weniger als Bäcker. Dabei haben beide eine dreijährige Ausbildung hinter sich und es im Arbeitsalltag mit unterschiedlichen, aber genauso hohen Anforderungen zu tun. Wir kommen in Sachen Gleichstellung nur sehr langsam voran, wenn Unternehmen es sich nicht ausdrücklich zum Ziel setzen, etwas gegen die Ungleichbehandlung zu tun und weiblich dominierte Tätigkeitsfelder aufzuwerten“, betont Melcher. Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel im Lebensmittel- und Gastgewerbe sollten die Firmen alles daransetzen, durch attraktive Arbeitsbedingungen Frauen zu gewinnen. „Hier schlummert ein enormes Potential für den heimischen Arbeitsmarkt“, so Melcher.

Allerdings stehe auch die Politik in der Pflicht, mehr für die Gleichberechtigung zu tun. Die NGG kritisiert insbesondere das Ehegattensplitting. „Das Steuersystem bietet Frauen, deren Partner ein gutes Einkommen haben, kaum Anreize, selbst beruflich durchzustarten. Durch hohe Abzüge in der Steuerklasse V bleiben viele von ihnen doch zuhause oder machen nur einen Minijob. Hier muss die Bundesregierung eine Reform anpacken“, fordert Melcher.

Die Gewerkschaft verweist zugleich auf Fortschritte. Nach einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung haben Frauen Männer bei den Bildungsabschlüssen in den letzten Jahren überholt. Hatten im Jahr 2005 bundesweit lediglich 26 Prozent aller Frauen die Hochschulreife, waren es im Jahr 2019 gut 40 Prozent (Männer: 29 bzw. 39 Prozent). Auch die Zahl der Haushalte, in denen Frauen das Haupteinkommen beisteuerten, ist zuletzt deutlich – auf ein Achtel aller Haushalte – gestiegen. Allerdings sind Führungspositionen nach Angaben des WSI weiterhin überwiegend in männlicher Hand. Einer der Gründe: Frauen haben weitaus häufiger eine Teilzeitstelle als Männer. Hier komme ein tradiertes Rollenverständnis von Führungskräften zum Tragen, so NGG-Geschäftsführerin Melcher. Sachlich gäbe es keinen Grund, warum eine Frau in einer Teilzeit-Anstellung bei Beförderungen nicht berücksichtigt werden sollte. Mehr Flexibilität im Unternehmen, zum Beispiel indem sich zwei Beschäftigte die Führungsposition im ‚Jobtandem‛ teilten, gelte als sehr effizient und sei auch immer gefragter.

Nach Einschätzung der NGG könnte die Pandemie jedoch langfristig zu einem Umdenken beitragen: „Corona kann auch eine Chance für mehr Gleichberechtigung sein. Viele Männer haben in den letzten zwei Jahren erstmals richtig erfahren, welche Arbeit Kinderbetreuung und Haushalt machen – aber auch, wie wichtig ihre Unterstützung zuhause ist“, so Melcher weiter.

WCN/Cu